Blick in die Gegenwart: Jayrôme C. Robinet. Mein Weg von einer weissen Frau zu einem jungen Mann mit Migrationshintergrund
In den vergangenen Jahren und Monaten sind Diskussionen um Transsexualität verstärkt in den Medien aufgegriffen worden. Und in Deutschland ist ein neues Selbstbestimmungsgesetz auf dem Weg, das das alte, verfassungswidrige Gesetz von 1980 ersetzen soll (BMFSFJ 2022). Dadurch soll eine einfachere Änderung des Vornamens und Geschlechtseintrags möglich werden. Was das tatsächlich für die Lebensrealität von Trans*-Personen bedeuten würde, bringt die Lektüre von Jayrôme C. Robinets Autobiographie näher. „Eigentlich leide ich nicht an geschlechtlicher, sondern an bürokratischer Dysphorie“, kommentiert er die behördlichen Hindernisse, mit denen er in den späten 2010er Jahren in Deutschland konfrontiert ist (Robinet 2019: S.158). In Mein Weg von einer weissen Frau zu einem jungen Mann mit Migrationshintergrund beschreibt er sehr genau, wie unnötig schwierig das Leben für Menschen gemacht wird, die nicht den heteronormativen Erwartungen entsprechen. Mit 38 beginnt Jayrôme C. Robinet mit der Testosteronbehandlung. Er erfährt das Glück, endlich auch äußerlich zu sich selbst zu werden. Zugleich muss er sich in einem völligen Perspektivenwechsel zurechtfinden – dem der Gesellschaft auf ihn. Die Menschen behandeln ihn als Mann, was mit neuen Privilegien, aber auch neuem Druck einhergeht. Und, was er nicht erwartet hat: mit Alltagsrassismus. So hält eine Teestubenbesitzerin, der zuvor die Ladenscheibe eingeworfen wurde, ihn aufgrund seines neuen Aussehens sofort für verdächtig. „Warum hatte sie den Eindruck, dass ich gefährlich bin? Und warum habe ich versucht, ihr zu zeigen, dass ich kein Randalierer bin? Dass sie keine Angst vor mir zu haben braucht? Vor einem Menschen wie mir, ich trinke doch Kräutertee und interessiere mich für Literatur!“ (Robinet 2019: S.97)
Robinet gelingt das Kunststück, auch belastende Themen mit Humor zu erzählen. Gekonnt beschreibt er die Vielschichtigkeit eines Lebens außerhalb der gesellschaftlichen Normen, und wie diese als Konstrukte demaskiert werden können.
Literaturverzeichnis
Robinet, Jayrôme C. Mein Weg von einer weissen Frau zu einem jungen Mann mit Migrationshintergrund. Hanser Berlin 2019
Online-Quelle:
„Eckpunkte für das Selbstbestimmungsgesetz vorgestellt.“ Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. (Letzter Zugriff 06.10.2022 14.25 Uhr)
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Ewert, Felicia. Trans. Frau. Sein. Aspekte geschlechtlicher Marginalisierung. Münster: Edition Assemblage 2021
Ofner, Agnes. Nicht so das Bilderbuchmädchen. Wien: Jungbrunnen 2020
Orghandl, Franz. Der Katze ist es ganz egal. Leipzig: Klett Kinderbuch 2020
Pickert, Nils. Prinzessinnenjungs. Wie wir unsere Söhne aus der Geschlechterfalle befreien. Basel: Beltz 2020
Statovci, Pajtim. Grenzgänge. München: Luchterhand 2021
Stef und Sven Hensel. Fantastische Queerwesen und wie sie sich finden. Poetry Slam goes queer. Berlin: Satyr Verlag 2021
Vöckler, Maria. Blau mit ganz viel Glitzer. Das Leben mit meinem Trans*Kind. Berlin: Querverlag 2021